Martin Schoock, Niederlande
Traktat von der Butter und der Abneigung gegen den Käse
Innentitel
Bibliographische Angaben
Martin Schoock: Traktat von der Butter; Diatribe von der Abneigung gegen den Käse, Groningen 1664.
Neu und in Übersetzung durch Dr. phil. Siegfried Kratzsch, Halle a.d.S., herausgegeben von Dr. Carl-Ludwig Riedel
und Dr. Dieter Hansen. Beiträge zur Milchwirtschaft Band 5 (Große Reihe Band 2),
ISBN 978-3-9810663-3-3.
Verlag Milch & Kultur Rheinland und Westfalen e. V., Köln 2008
(271 Seiten, 30 Abbildungen, Preis 24,50 )
Zum Text
Das im Original 1664 in lateinischer Sprache erschienene Werk - der damals in Europa üblichen Sprache der
Wissenschaftler - war bis dato unübersetzt und liegt erstmals in deutscher Sprache vor.
Der damalige
Wissensstand
um Milch, Butter und Käse sowie als Novum die Darstellung der Abneigung gegen den Käse sind auch aus
moderner Sicht von hohem Interesse. Schoock wertete für dieses Werk Texte des Alten und Neuen Testaments,
antiker Autoren (76), mittelalterlicher Autoren (22) und moderner Autoren bis 1664 aus (113). Die enthaltenen
Abbildungen sind im Originaldruck nicht vorhanden, stammen jedoch zumeist ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert.
Die Übersetzung wurde nach einem ledergebundenen Exemplar von Dr. Josef Hüfner (mit Goldschnitt in 8)
vorgenommen, das 312 Seiten enthält (Tractatus de Butyro mit 188 Seiten; Tractatus de Aversatione Casei, auf den Seiten
189 bis 312).
Das Original enthält als einzige Abbildung das auf dem Außentitel dargestellte Buchdruckerzeichen
von Johann Cöllen aus Groningen mit dem Wahlspruch: "Ich diene duch Vervielfältigen".
Zu dieser Ausgabe
von C.-L. Riedel, R. Belke-Grobe und H. Stöcker
Die Erschließung bisher nicht in
deutscher Sprache vorliegender Quellen zur Geschichte der
Milchwirtschaft wird mit dem vorliegenden Band fortgesetzt. Er bietet
als Band 5 der "Beiträge zur Milchwirtschaft" (Große
Reihe Band 2) einen Einblick in die Herstellung von Butter und
Käse aus niederländischer Sicht des 17. Jahrhunderts.
Das ursprünglich 1664 in Groningen erschienene Werk eines
Nichtmediziners umfasst neben einer damals sehr häufig
vorangestellten Widmung – hier an Otto Freiherr von Schwerin,
Erbkämmerer der Kurmark Brandenburg – eine Vorrede
an den Leser und 312 Seiten Text. Die Widmung deutet schon auf erste
Kontakte des Verfassers zum Kurfürsten von Brandenburg hin.
Martin Schoock wurde nämlich bereits im Jahr des Erscheinens
dieses Buches Historiograph und Ratgeber des Kurfürsten von
Brandenburg, der ihn im Juli 1666 zum Honorarprofessor für
Geschichte an der Universität Frankfurt/Oder berief, wo
Schoock vermutlich 1669 starb. Die vorliegende Reihe, für
deren Übertragungen aus dem Lateinischen wiederum Herrn Dr.
phil. Siegfried Kratzsch herzlich gedankt sei, soll fortgesetzt werden.
In Vorbereitung befinden sich milchwirtschaftliche Schriften aus dem
17. Jahrhundert von Bartholomäus Bolla, Johannes-Petrus
Lotichius und Fritz Käsefaix unter dem Arbeitstitel
"Caseologia und andere Disputationen". In diesem Werk wird
ausschließlich das Thema Käse behandelt.
ähnliches gilt für das Projekt "Texte zur Milch- und
Käsereigeschichte" mit Briefen an Conrad Gesner nach
Erscheinen seines "Libellus de lacte (1541) durch Heinrich Dettling
(28.9.1552) bzw. Joachim Bifrons (27.1.1556), ein
lateinisch-maccaronisches Sennengedicht von Josef-Anton Omlin und
käsereigeschichtlich wichtige Texte von Johann Jacob
Scheuchzer aus der Schweiz. Weitere Projekte sind die Darstellung der
Geschichte der Milchwerke Köln/Wuppertal und der Aufbau eines
Milchmuseums am Niederrhein. Für all diese Projekte und das
vorliegende Werk danken die Herausgeber und der "Verein Milch &
Kultur Rheinland und Westfalen e. V." wiederum allen Sponsoren aus der
Molkereiwirtschaft, die diese Herausgabe ermöglicht haben. Ein
besonderer Dank gilt der seit 1994 mit Akribie und Fleiß
tätigen Frau Marina Bela, Düsseldorf, die sich um die
Historie der Milchwirtschaft ein besonderes Verdienst erworben hat.
Dem vorliegenden Band sind eine zeitgenössische Darstellung
des Autors Martin Schoock, Abbildungen aus der Geschichte, der
Herstellung und dem Vertrieb vom Butter und Käse, der
Lebenslauf und das Werkverzeichnis von Schoock, von ihm zitierte
Autoren, ein Abbildungs- und Sachverzeichnis sowie ein Lebenslauf des
Übersetzers Dr. Kratzsch beigefügt.
Möge auch dieses Buch dem Berufstand der Milchwirtschaftler
und Milchwissenschaftler und allen historisch am Gebiet der
Milchwirtschaft Interessierten Freude machen und günstige
Aufnahme finden!
Dr. Carl-Ludwig Riedel Rötger Belke-Grobe † Hans Stöcker
Verein Milch & Kultur Rheinland und Westfalen e. V.
Geldernstraße 35
50739 Köln
www.verein-milch-und-kultur.de
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Vorwort von Dr. phil. Siegfried Kratzsch
Das hier nach der lateinischen Erstausgabe zum
ersten Mal in deutscher Überset-zung erscheinende Buch von
Martin Schoock trägt im Original den Titel "Tractatus de
Butyro. Accessit ejusdem Diatriba De Aversatione Casei, Hac altera
Editione aucta & vindicata" und ist das jüngste und am
weitesten nördlich entstandene der vier von uns mit oder in
deutscher Übersetzung herausgegebenen Werke der
frühen Milchwissenschaft. Die anderen sind (in der Reihe
ihres ursprünglichen Erscheinens):
Pantaleone da
Confienza "Summa
lacticiniorum" (Turin, 1477),
Conrad
Gesner "Libellus
de lacte, et operibus lactariis, philologus pariter ac medicus"
(Zürich, 1541),
Giovanni
Costeo "De
lactis, serique natura, et in medicina usu" (Bologna, 1595).
Es unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht von seinen
Vorgängern. Seine regionale Herkunft aus den Niederlanden ist
überall sichtbar, bis hin zu den milchwirtschaft-lichen
Fachwörtern und Sprichwörtern. Es behandelt nicht das
gesamte Wissen seiner Zeit über Milch und Milchprodukte, wie
seine ersten beiden Vorgänger, sondern bietet die erste
Monographie über ein Milchprodukt, die Butter, und behandelt
ein Spezialproblem zu einem anderem, dem Käse.
Schließlich ist sein Verfasser nicht ein Mediziner, wie seine
Vorgänger, sondern ein Polyhistor, der in seiner reichhaltigen
Buchproduktion eine Reihe von Realien und Institutionen seiner Heimat,
der Niederlande, zum Teil erstmalig, wissenschaftlich behandelt. Unter
den Realien seien genannt die Heringe, die Störche, das Bier,
die Tulpen, die Überschwemmungen, unter den Institutionen die
sogenannten Kapitelgüter und ihr
rechtmäßiger Besitzer sowie der
niederländische Staat, unter den Geistesrichtungen der
römische Katholizismus, der Remonstrantismus und der
Sozinianismus. Schoock schreckte aber auch nicht vor z. T. heftigen
Auseinandersetzungen mit niederländischen
Geistesgrößen seiner Zeit wie dem Philosophen und
Mathematiker Cartesius, dem reformierten Theologen Voetius und den
Philologen Salmasius und Vossius zurück.
In seiner Monographie über die Butter breitet Schoock in 26
Kapiteln seine große Belesenheit in der
einschlägigen Literatur, die von der Bibel über die
griechischen und römischen Autoren der Antike und die des
Mittelalters bis zu den modernen Autoren reicht, und seine Kenntnis der
niederländischen Herstellung und Verwendung der Butter aus.
Die von Schoock zum Thema "Butter" zitierten Autoren sind Philosophen,
Philologen, Grammatiker, ärzte, Naturforscher, Historiker,
Geographen, Kirchenlehrer, Theologen, Agrar- und andere Schriftsteller,
aber auch Dichter.
Die Abhandlung über die Abneigung gegen den Käse (10
Kapitel), hier in zweiter Auflage, bemüht sich in durchaus
wissenschaftlicher Weise um ein Problem, das den Autor als Betroffenen
besonders interessiert. Anders als bei anderen Autoren führt
seine eigene Abneigung gegen den Käse nicht dazu, dass er die
generelle Wertlosigkeit dieses Nahrungsmittels einseitig zu erweisen
sucht oder das Thema "Käse" zur Verulkung der Wissenschaft zu
einem ironischen Lob in Form von pseudowissenschaftlichen Thesen
für eine fiktive akademische Disputation benutzt, sondern er
versucht die objektive Ursache für diese subjektive
Einstellung zu finden. Das Thema ist vor ihm zwar schon von Thomas
Sagittarius behandelt worden, aber da das Buch offenbar nicht in
Groningen vorhanden war, muss Schoock hier selbständig
vorgehen, natürlich unter Benutzung seiner immensen
Belesenheit.
Siegfried Kratzsch
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Buchbesprechung von Prof. Dr. Manfred Kroger, Penn State University, 2009
in Comprehensive Reviews in Food Science and Food Safety Volume 8, Issue 3,
pages 155-156 (2009).
As we grow older, we develop a deeper appreciation for the past. Not only do we then reminisce about childhood, school years, and career, but most of us also become avid readers of history books and repeat visitors to museums, even collect memorabilia. There are several famous science/technology museums in the world and all dedicate some space to food technology. Several of you may own and cherish old items from the food literature. One who comes to mind was Dr. Max Ernst Schulz, who, at the German Dairy Research Center in Kiel, gradually built an extensive personal library of classic books of interest to the dairy industry and milk researchers.
The objective of this editorial/review is to encourage the young to occasionally stop pressing forward and also pay attention to what has been. The wisdom of a profession is captured in its early artifacts and its words and illustrations. We ought to pause at times and reflect on how it all began. The look back may make you smile or strike you with awe; you may even wonder how future generations will assess your own achievements.
* 1.
Do yourself a favor and visit http://www.chemheritage.org. The Chemical Heritage Foundation (CHF) in Philadelphia was founded in 1980, and today 30 organizations are affiliated with it, notably the 2 charter members: American Chemical Society and American Inst. of Chemical Engineers. In my opinion, IFT ought to be included now because it commands a significant presence in the field of chemistry. The major parts of CHF are the Othmer Library of Chemical History (1988) and its arm, the Beckman Center for the History of Chemistry (1987), both devoted to foster a community of visiting scholars. CHF has a highly trained staff of historians, science-education specialists, librarians, curators, archivists, editors, development experts, public affairs specialists, and administrative personnel. The library, which is open to all users, contains more than 100,000 items of primary resources related to the history of the chemical and molecular sciences, technologies, and industries. There is an impressive oral history collection covering numerous noteworthy personalities. A special Neville collection includes many of the most important works in the history of science and technology with items from as far back as the 15th century. CHF also has classroom resources and sponsors frequent events. Its free quarterly magazine reaches 20,000 readers; you may want to begin collecting it. CHF is worth a visit, if not in person then at least via its web site.
* 2.
In 1998, several individuals affiliated with the dairy industry in the area around Cologne, Germany, created something very similar to CHF. The physical installations, meant to become a museum, are still in their infancy, but the worldwide web of today makes it possible to get a good look now at the organization and its holdings. The home page of the association is at http://www.verein-milch-und-kultur.eu/milch-und-kultur.html. Loosely translated, it is the Foundation of Milk in Society and Culture, officially known as "Milch & Kultur Rheinland und Westfalen e.V." Its language is German, and mission of the association is threefold: a) to always remember milk and its importance as a food, along with the procedures of converting milk to dairy products; b) to point out the economic importance of milk and its role in the development of human societies and regional cultures; and c) singling out milk production and processing within the overall agricultural spectrum. Initial objective of the founders was to salvage archives, objects, traditions, and memories associated with the dairy industry of a specific area at the time when the well-known Milk Cooperative Cologne-Wuppertal was being taken over by Campina, the huge Dutch dairy cooperative, which in 2008 merged with Royal Frieslands Foods and is now known as Friesland Campina (7,000 employees). The web site shown above bears testimony to the steady growth of this group's acquisitions and activities. Much gets lost whenever such changes occur. So far, the organization has published 8 books (2 of them discussed below) and has several ongoing archival projects, including the largest collection of glass milk bottles in Germany, possibly Europe. Any CRFSFS readers who are collectors of dairy industry artifacts or who are intrigued by the attempts to set up dairy museums are advised to shop for ideas in this unique, ambitious, and still budding German installation.
* 3.
Both groups described above have in their archives 2 different books by Conrad Gesner (1515--1565). The German milk and dairy aficionados saw to it that a recently discovered (after 450 years) original text was translated from the Latin. Kudos for that labor of love must go to Dr. Siegfried Kratzsch, Halle. His translation into German, along with a reprint of the 52-page original, was published in 1996 by Dr. Carl-Ludwig Riedel, Krefeld. The book has 183 pages and also contains 35 pages of commentary by the translator and bibliographic information about Gesner by Dr. Dieter Hansen, Berlin. More than a dozen antique illustrations are included to make this paperback an affordable acquisition (available for under 50 Euros from 2., above). Booklovers, philologists, historians, and especially participants in the dairy industry would want to be owners of this and similar unique items. It is mentioned here because this particular Gesner text can be considered the first comprehensive review of milk and milk products ever published (in 1541 by Christoph Froschauer, Zurich). Gesner was a respected and prolific physician/historian/author. His "Libellus de lacte, et operibus lactariis, philologus pariter ac medicus" (About Milk and Milk Products, an Overview for Philologists and Medical Practitioners) is a fascinating collection of writings about the subject by earlier authors; in other words, it is a comprehensive review (at that time) of what the Greeks Dioscurides, Galen, Aetios, Homer, Aristophanes, and the Romans Pliny the Elder, Columella, Cato, Varro, Palladius, and several others had said about the nature of milk and its origins, treatments, nutritional benefits, and change-over into such creations as whey, curd, cheese, butter, and even products of medical value. Some of these no longer exist and have no equivalent English term. For example, aphrogala seems to have been a popular milk foam, possibly a forerunner of whipped cream; and oxygala was a soured milk product, most likely what eventually became dahi, kefir, kumiss, and yogurt in other parts of the world.
* 4.
Here is another "old" book that counts among the first in food science. It is 120 years younger than the one above at 3. It has also been "unearthed" and republished in its German translation by the group "Milch und Kultur" described in 2., above, and ought to find its rightful place in the archives of the Chemical Heritage Foundation introduced to you in part 1., above. Here is a condensed review of the book written in German by Dr. Eckhard Schlimme that was rendered into English by Axel Mixa, an accomplished translator of German dairy technology books:
Martin Schoock: A Treatise on Butter and on the Aversion to Cheese. Translated into German by Dr. Siegfried Kratzsch from the Latin, originally published in 1664 by Johann Coellens, Groningen. Published (in German) by Dr. Carl-Ludwig Riedel and Dr. Dieter Hansen, Verlag Milch und Kultur, Koeln, 2008, 215 pages, ISBN 978-3-9810663-3-3.
This first monograph on butter and cheese is almost 350 years old and now available in German for the first time, with numerous footnotes, an extensive keyword index, and 44 pages of comments by the publishers, as well as 30 illustrations. It can now be accessed by readers as a source on the history of dairying specifically and history of science and technology in general. The publishers, editors, and translator are to be commended for their efforts. Martin Schoock (1614--1669), a Dutch polymath, professor of classic literature, logic, physics, and history in Groningen and Frankfurt (Oder) was the author of about 50 publications dealing with philosophy, philology, and the natural sciences.
This monograph is in the form of an "exercitatio academica" on butter with 27 chapters and on cheese with 10 chapters. It is a unique treatise in that it deals with these 2 dairy products not only as food and therapeutic remedy, but also as economic/cultural commodities as recorded throughout the literary history of antiquity up to the time of the author's life. The physiologic action of 2 products is discussed according to the humoral/heat theory put forth by Hippocrates and Galen. But the author also displays his understanding of current techniques based on his precise observations of Dutch butter and cheese makers. He speaks of the dependence of butter quality on seasonality and bovine breeds, comments on the benefits of blending summer and winter butter, the practices of coloring butter, the importance of animal age and their feed and regionality on cheese quality, and the behavior of milk during curdling with calf rennet or with plant extracts (white thistle or fig, which had been used since antiquity). Today such treatises could be used as idea generators for modern investigators. Expounding on cheese aversions, the author objectively assessed individual human revulsions towards cheese and other foods. He thought some individuals to possess a "secret natural instinct of dislike" and searched the literature for case histories, but in the end concluded that such individual idiosyncrasies could not be generalized.
Schoock's monograph is an impressive document, it reflects his broad knowledge, and it is an example of a comprehensive review, and therefore included here, because the author cites 225 other authors, about one-half from his century, 25 from the Middle Ages, and 85 from antiquity (including 10 from the Bible). Schoock also shines through his specific insights into the artisanal technologies of buttermaking and cheese manufacture.
Editorial for July 2009: Looking into the Past: Reviewing 2 Institutions and 2 Books
Manfred Kroger , Ph.D.
Scientific Editor, CRFSFS
Professor of Food Science Emeritus
The Pennsylvania State University
Copyright 2009 Institute of Food Technologists
Inhaltsübersicht
|
|
Seite |
1. |
Zu dieser Ausgabe (C.-L. Riedel, R. Belke-Grobe, H. Stöcker) |
VIII |
2.1 |
Vorwort (S. Kratzsch) |
X |
2.2 |
Zum Geleit (D. Hansen) |
XII |
3.1 |
Widmung: Dem Berühmten und Sehr Hochherzigen Herrn Otto Freiherrn von Schwerin |
XXI |
3.2 |
Biographisches zu Otto Freiherr von Schwerin |
XXIV |
4. |
Dem Leser Gruß |
XXV |
5.1 |
Tractatus de butyro Traktat von der Butter |
1 |
5.2 |
Verzeichnis der Kapitel des Traktats von der Butter |
2 |
5.3 |
Übersetzung der Kapitel I bis XXVII |
5 |
6.1 |
Tractatus de aversatione casei Traktat von der Abneigung gegen den Käse |
95 |
6.2 |
Vorwort an den Leser Praefatio ad Lectorem (S. Kratzsch) |
96 97 |
6.3 |
Verzeichnis der Kapitel des Traktats von der Abneigung gegen den Käse |
98 |
6.4 |
Übersetzung der Kapitel I bis X |
99 |
7. |
Anhang |
160 |
7.1 |
Lebenslauf von Martin Schoock. Zusammenstellung nach verschiedenen Quellen |
160 |
7.2 |
Martin Schoocks Werke (S. Kratzsch) |
162 |
7.3 |
Quellen zu Martin Schoock (S. Kratzsch) |
173 |
7.4 |
Autoren bei Martin Schoock (S. Kratzsch) |
174 |
7.5 |
Schoock-Sprichwörter in Harrebomes Spreekwoordenboek (S. Kratzsch) |
185 |
8. |
Abbildungsverzeichnis (C.-L. Riedel) |
187 |
9. |
Sachwortverzeichnis (C.-L. Riedel) |
190 |
10. |
Curriculum vitae Dr. phil. Siegfried Kratzsch |
211 |
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Zum Geleit
von Dr. Dieter Hansen, Berlin im Juni 2007
"Jedes Handwerk hat nicht nur sein
Können, sondern auch sein Wissen, das Wissen um die
Eigenschaften des zu bearbeitenden Stoffes. Das Wissen wird besonders
umfangreich und ist schwierig zu erfassen, wenn der Gegenstand die
Natur selbst ist, wie in der Landwirtschaft. Daher hat das Wissen in
der Landwirtschaft erst raschere Fortschritte zu verzeichnen, als das
Wissen über die Natur – insbesondere über
die Vorgänge in ihr, die hauptsächlich chemischer,
physikalischer und biologischer Art sind – sich einer
lebhafteren Pflege erfreute, wie es seit dem Beginn und um die Mitte
des vorigen Jahrhunderts geschehen ist. ...
Um die gleiche Zeit setzte auch ein tieferes Eindringen in das Wesen
der Milch und in die Vorgänge bei ihrer Verarbeitung ein, es
entstand die Milchwirtschaftswissenschaft. ...
Es ist auch ... vor der Mitte des 19. Jahrhunderts verschiedenes Neue
über die Natur der Milch bekannt gewesen. Ein rascheres
Fortschreiten der Wissenschaft von der Milch und ihrer Technik trat
erst um die Zeit von 1840 – 1880 ein, in den Jahren, in denen
die Naturwissenschaften ihre erste Blütezeit hatten. ...
Es ist auch die Zeit, in der die T e c h n i k d e r M i l c h v e r a
r b e i t u n g ihre erste, auf raschere und größere
Mengen bewältigende Arbeit hinzielende Vervollkommnung erfuhr.
Die Milchtechnik befand sich in der Periode des Übergangs zur
Massenverarbeitung. ...
Es sind dies auch die Jahre der größten
schöpferischen Tätigkeit auf dem ganzen Gebiete der
Milchwirtschaft. In allen Ländern und Gegenden, in denen die
klimatischen Verhältnisse Viehzucht und Milchwirtschaft
ermöglichen, regten sich die Geister zu friedlicher
Konkurrenz. Die glänzendsten Namen der Milchwirtschaft ...
bezeichnen diese Periode. ...
Am Schluss dieser Zeit tritt dann eine Wissenschaft auf, die dem
Wirtschaftsbetriebe ein neues Gepräge gibt, die Bakteriologie,
richtiger die Pilzkunde. Es war allen Einsichtigen schon lange kein
Geheimnis mehr, dass die oft sich recht unangenehm bemerkbar machenden
Veränderungen in der Milch und ihren Produkten nicht rein
chemischer und physikalischer Natur sein könnten, dass hier
vielmehr Lebewesen tätig sein müssten ... . ...
In erster Linie ist es also um die Zeit der Jahrhundertwende und auch
noch heute die Bakteriologie, welcher die Milchwirtschaft ihre
hauptsächliche Förderung verdankt. Von nun an ist sie
es, welche die Technik der Milchzubereitung und Milchverarbeitung
beherrscht, und unter den von ihr gegebenen Gesichtspunkten entstehen
neue Methoden und Apparate für diese. Zu ihr ist, obwohl auch
schon früher diesbezügliche Beobachtungen gemacht
wurden, ..., in neuerer Zeit von den naturwissenschaftlichen
Disziplinen die Physik ... hinzugetreten".
Diese von Hermann Weigmann in seinem dem Titel "Männer um
Martiny" vorangestellten Aufsatz "Die Milchwirtschaft in ihrem Werden
als angewandte Wissenschaft" formulierten Entwicklungslinien treffen
auch 70 Jahre nach ihrer Veröffentlichung im Jahre 1936 zu.
Wenn man von einzelnen Veröffentlichungen absieht, "erlahmt"
etwa mit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert das Interesse an
Publikationen über die Entwicklung der Milchwirtschaft von den
Anfängen bis etwa zum beginnenden 19. Jahrhundert. Ein Grund
dafür mag die fehlende Kenntnis und Beherrschung der alten
Sprachen sein. Ein weiterer Grund ist die Lesbarkeit dieser Texte, denn
der Leser wird mit Aussagen konfrontiert, die dem System der Humoral-
und Temperamentenlehre entsprechen. Dieses System entstand aus dem
Bemühen, die in der Natur beobachteten Erscheinungen in
Übereinstimmung mit den Auffassungen und Fragestellungen der
Philosophie und der Medizin zu diesen Dingen rational zu
erklären und so das vorhandene und sich ständig
erweiternde empirische Wissen in ein geschlossenes, einheitliches und
sich zugleich veränderndes System einzubetten. Diese
Entwicklung begann etwa im 6. Jahrhundert v. Chr. mit den Lehren der
Naturphilosophen (z. B. Thales von Milet oder Anaximenes) und bestimmte
die Darstellung und Interpretation wissenschaftlicher
Zusammenhänge in Medizin und Ernährung
bis weit in das 18. Jahrhundert n. Chr. Als Temperament wird
im ursprünglichen (durch Galen festgestellten) Sinne die durch
das Überwiegen des einen oder anderen der Hauptsäfte
des menschlichen Körpers bedingte körperliche und
seelische Eigenart bezeichnet. Da vier solcher Säfte
unterschieden wurden, so ergeben sich vier Temperamente; das c h o l e
r i s c h e beruht auf dem Überwiegen der gelben Galle, die
(wie das Element des Feuers) von warmer und trockener, das m e l a n c
h o l i s c h e auf dem der schwarzen Galle, die (wie die Erde) von
kalter und trockener, das p h l e g - m a t i s c h e auf dem des
Schleimes, der (wie das Wasser) von kalter und feuchter, das s a n g u
i n i s c h e auf dem des Blutes, das (wie die Luft) von warmer und
feuchter Beschaffenheit ist. Der vorstehenden Definition nach hatte man
hierin also eigentlich nicht sowohl Modifikationen des normalen
menschlichen Typus, sondern vielmehr Abweichungen von ihm (von der
gesunden Mischung der Säfte) zu sehen, weshalb Galen auch
nicht von Temperamenten, sondern von "Dyskrasien" (also eigentlich
Intemperamenten) sprach. Im Laufe der Zeit hat sich nun die Annahme von
vier Temperamenten aus einer vorwiegend physiologischen in eine rein
psychologische Lehre verwandelt und sich erhalten, auch nachdem ihre
ursprüngliche Grundlage längst als Irrtum erkannt
worden war. Über eine Zeit von mehr als 2000 Jahren
war dieses System so etwas wie "die Grammatik der Sprache der
Wissenschaft" auf den vorgenannten Gebieten. Erst als zahlreiche
naturwissenschaftliche Ergebnisse offensichtlich nicht mehr in dieses
System hineinpassten, begann ein neuer Abschnitt der Wissenschaften.
Bis es aber soweit war, hatten die Autoren in diesen Zeiten (und nicht
nur in diesen) erhebliche Probleme der Darstellung und Einordnung von
Ergebnissen, die neue Denkweisen erforderten oder hervorbrachten und so
im Widerspruch zur herrschenden Lehrmeinung standen. Ein
bewährter Weg zur Lösung bestand (und besteht) in der
konsequenten Einbettung von problematischen Ergebnissen in das System
durch nicht näher erklärte Erweiterungen von
"Systembegriffen". Ein anderer Weg ist die korrekte Darstellung der
Ergebnisse in Verbindung mit der Mitteilung da rüber, was
einer Einordnung im Wege steht. Die Autoren waren in diesem
Zusammenhang zu allen Zeiten sehr einfallsreich. Im Ergebnis solcher
„Bemühungen" finden sich dann Texte, die scheinbar
von anderen Dingen überwuchert werden und sich dem allgemeinen
Verständnis erfolgreich zu entziehen vermögen. Hier
ist der Leser also gefordert, sich nicht von der Thematik ablenken zu
lassen und alle ihm unverständlichen "Nebenhandlungen"
zunächst auszublenden.
Warum, könnte man nun fragen, macht das nicht schon der
Herausgeber? Der Herausgeber ist der philologisch exakten Wiedergabe
des Textes verpflichtet und schafft so die Grundlage für
weitere, ggf. auch vereinfachende Darstellungen. Alle Welt glaubt an
den aufgeklärten Verbraucher – der Herausgeber
glaubt an den aufgeklärten und zugleich neugierigen Leser.
Nach der Herausgabe der vollständigen Texte der
"Milchbücher" von Conrad Gesner, Pantaleone da Confienza und
Giovanni Costeo wird hiermit nun Martin Schoocks im Jahre 1664 in
Groningen erschienener Titel "Traktat von der BUTTER. Hinzugekommen ist
desselben Diatribe von der AVERSION gegen den KäSE, in dieser
zweiten vermehrten und geschützten Ausgabe" vorgelegt. Wie
auch bei den vorgenannten Autoren erscheint der vollständige
Text des "Schoock" erstmals in deutscher Übersetzung.
Was kann nun der heutige Leser vom ersten monographischen Text
über die Butter und vom Text von der Aversion gegen den
Käse erwarten? Diese Frage ist nur durch den Vergleich mit
einer anderen zeitgenössischen und sehr oft gedruckten
Darstellung über die Butter, ihre Herstellung und ihre
Eigenschaften sowie über den Käse zu beantworten.
Verwendet wird dazu die von einem anonymen Autor vorgenommene
Erweiterung der "Oeconomia Ruralis Et Domestica" des Johann Colerus
(1566 – 1639), die unter dem Titel "Oeconomia Ruralis Et
Domestica. Darin das ganß Ampt aller trewer Hausz =
Vätter und Hausz = Mütter / beständiges und
allgemeines Hauß = Buch / vom Haußhalten / Wein =
Acker = Gärten = Blumen = und Feld = Bau / be-griffen / Auch
Wild = und Voegelfang / Weidwerck / Fischereyen / Viehezucht /
Holtzfällung / und sonsten von allem was zu Bestellung und
Regirung eines wolbestellten Mayerhofs / Länderey / gemeinen
Feld und Haußwesens nützlich und vonnöthen
seyn möchte. ... Hiebevor von M. Joanne Colero beschrieben /
Jetzo aber / auff ein Neues in vielen Büchern mercklich
corrigirt, vermehret und verbessert / in ZWEY THEYL abgeteilet und mit
schönen neuen Kupferstücken gezieret / samt
vollkommenem Register in Truck verfertiget. ... Frankfurt am Mayn / In
Verlegung Johann Peter Zubrodt. ANNO MDCLXXX." erschien.
Nachfolgend wird der vollständige Text der Kapitel 66, 67, 68
und 69 des elften Buches o. g. Titels geboten. Der Text findet sich auf
den Seiten 410 und 411 der vorgenannten Ausgabe. In der nachfolgenden
Abschrift wurden das lange S und die Umlaute in der heute
üblichen Schreibweise geschrieben. Korrekturen
offensichtlicher Druckfehler wurden in Klammern gesetzt.
"Im Eilfften Buch BUCOLUS genant / wird berichtet von dem Rindvieh /
Ochsen / Kühe / etc. und von iren zufälligen
Schäden / wie denen vorzukomen / hat XCII. Capitel. ...
Das LXVI. Kapitel
Von der Butter
Auß der Milch werden Butter und Käse gemacht. Die
Butter ist für den Hunger und zu erholung der Kräffte
gut. Und wird also gemacht: so bald man die Milch gemolcken / und durch
ein rein Tuch geseyet / geust man sie in thennerne und irrdene
Milchnäpffe / die nicht tieff / aber fein breit und weit seyn.
Auff nechstfolgenden andern oder dritten Tag hernach nimbt man oben den
Sahn / oder den Rahm derselbigen Milch / mit einem grossen eisern
Löffel oben ab / welches ein dicke fette Materien ist / und
geust sie in ein länglicht Faß / rührets
mit einem gelöcherten Bretlein an einem Stiel gemacht auff und
nider ohne unterlaß / so lang biß eine Butter
drinnen wird / und das Fett sich von der andern dünnen
Buttermilch absondert / das heist man rühren oder buttern /
hoc est, Butter machen. Erstlich bekombts gleichsam kleine
bröcklein Butter / wann man aber mit dem Buttern immer
fortfähret / so begeben sich die Bröcklein zusammen /
und wird ein grosser Klumpen Butter drauß. Den nimbt man
herauß / und wäschet ihn auß etlichen
Wassern / biß daß er gar rein wird / und keine
Milch mehr bey ihm hat und salzet sie / und schlägt sie in ein
Faß zusammen / daß man sich das Jahr durch damit
behilfft. Man schneidet sie auch mit einem Messer offt durch /
sonderlich um die Zeit / wann sich die Kühe hären im
Vorjahr oder in den Fasten / und liest fein die Haar vom Messer wieder
ab / daß die Butter fein rein wird / daß man keine
Haar mehr am Messer findet.
Mayen = Butter und Mayen = Käse behält ein guter
Hauswirth vor sein Hauß / dann sie ist gut zu vielen
Artzneyen / sonderlich zum Wund träncken sehr
nützlich und dienstlich / sie heilet trefflich von innen
herauß. Sie muß aber ungesalzen gebraucht werden.
Item / die Butter die man im Ohst (August) einleget / weil die Kuhe
auff den Stoppeln gehen / ist auch schön gelb und gut / aber
die Mayenbutter behält den Preyß. Wann man im Winter
buttern will / so wils offt nicht zu Butter werden / wie man auch
drinnen rühret / sonderlich ausserhalb der Stuben / draussen
im kalten. Aber geuß du nur ein wenig warm Wasser drein / so
wird sich’s balde zur Butter geben. Etliche giessen auch warm
Bier drein.
Die Schlesier und Voigtländer seynd recht(e)
Käsemacher / wie dann auch die Holländer.
Creutzkäse / Schwedische und Böhmische Käse
seynd auch nicht böse: Allein hüt dich vor dem Stein
/ dann er ist ein Schelm / und ein ingratus hospes, er macht
daß einem offt das gantze Hauß zu enge wird. Aber
die Buttermilch / die davon über bleibet / gibt man dem
Gesinde / oder den Schweinen und Kälbern in Speise zu
geniessen.
Im Meyen ist sie (die Butter) gesund / dann zur selben Zeit isset das
Vieh die besten Kräuter und Blumen. Drum gefällt auch
im selben Monden schöne gelbe und sehr gesunde Butter / die
man auch viel und offt in Arzneyen pfleget zu gebrauchen : Und soll ihm
ein guter Haußwirth im selben Monden die Butter und
Käse fein zu rathe halten / und wol bewahren / daß
er das gantze Jahr durch darzu greiffen kan / wanns die Noth erfordert.
Man muß sie wol salzen und nicht zu alt werden lassen / sonst
bekommet sie einen Nachschmack / und reucht und schmeckt nit wol / doch
kan man sie noch zur Arzney und Wagenschmier brauchen / das doch schade
ist.
Das LXVII. Capitel.
Wie man feine schöne gelbe Butter durch das ganze Jahr haben und bekommen kan.
Etliche lassen ihnen im Merzen / Aprill / im Majo viel gelbe
küheblume eintragen / und legen sie auf den Mittag od Abend
wann das Vieh zu Hause kombt / ihnen zu essen vor / eines theils
treugen sie ab / und verhegens den Kühen biß in den
Winter / und gebens ihnen dann erst. Es ist ein Kraut das heissen die
Bauren Rinzel / es wächst ein wenig höher als ein
Spanne / hat kleine knösplichten / und oben weisse
Blümlein / und in den knotten hats kurze schmale
grüne Blättlein schier wie Tannereiß /
jedoch gar schmal / und wächst hier in der Marck an den Wegen
/ das tragen ihnen die Bauren im Sommer häuffig ein und
treugens ab auff den Bödemen / und streuens im Winter den
Kühen mit auff / wann sie ihnen brühen / darvon
bekommen sie gelbe Butter / als wann sie im Mayen gemacht
wäre. Etliche machen sie auch im Winter mit Safran gelbe /
aber sie schmecket alsdann nicht so fein natürlich als von den
gelben grossen Küheblumen und dem Rinzel.
Das LXVIII. Capitel.
Vom Nutz der Butter
Die Butter hat eine sonderliche Wärme / und eine zimbliche
dicke / zehe Feuchtigkeit bey ihr: wann man ihr geneust und isset / so
efeuchtet sie den Magen / und solvirt den Leib / sonderlich wann sie
noch neu und frisch ist / sie macht / daß man fein
auß der Lunge und Brust außreuspern und
außwerfen kan / wann etwan ein Geschwür vorhanden
wäre / sonderlich / wann man sie mit Honig und Zucker isset.
Sie ist auch ein gut Recept wider alle Gifft im Leibe / befeuchtet alle
Glieder / reiniget das Gesicht / machet reiff und eröffnet
alle Geschwür / heilet alle innerliche Verwundung der Kehlen /
Brust und Magens / lindert alles nagen der Nieren / und Eingeweiden /
erweicht nd laxiert alle verhärte(te) und verlahmete Nerven /
und hat viel andere köstliche effectus mehr / derer ich hier
geliebter Kürze halber schweigen will.
Die Märcker halten viel von der Butter / und essen dieselbe
allezeit vor und nach essens / ja wann sie rohen Speck essen / so
bestreichen oder schmieren sie den zuvor mit Butter / und brauchen
dieselbige im Essen mächtig offt und sehr. Doch muß
ich dieses den Haußmüttern zur Nachrichtung auch
anzeigen / was ihnen vor ein greulicher und erschröcklicher
Schade durch die Butter zukommen kan. Dann wann sie die Butter
über Feuer gesatzt haben / und dieselbige sich
anzündet / und man Wasser drein geust / und vermeinet / sie
also zu löschen / so zündet man das gantze
Hauß an / dann das Feuer fähret gewaltig
über sich in die Höhe und zündet bald an.
Als Anno 1640. den 27. Aprilis Annaeberg in Meissen gar zu grunde
außgebrandt ist / soll solches ein Weib auff diese
Weiß verursacht haben. Wie wol hernach auß der
Stadt Prage bekant / dass sie es solten angesteckt haben / dann das
Feuer nit an einem Orth allein angangen.
Das LXIX. Capitel.
Vom Käse.
Wann man nun vom Cremore oder Sahn oder Milchrahm Butter gemacht / so
nimbt man die andere Milch / davon man oben den Sahn abgefeimet /und
macht Käse drauß. Caseus Käse /
à cadendo dictus, dass er einem leicht durch die Finger
fält wann man ihn machen will. Und ist solcher Käse
gleich wie die Bermen oder Häfen der milch. Wan man die
Käse recht gut machen wil / so läst man alles
beysammen / wie die Milch gemolcken ist / und nimmt den Milchrahm oben
mit ab. Es ist der Käse denen Leuten / die keine grosse Arbeit
thun / nicht ein gesunde Speise. Dann wann er neu und jung ist / so ist
er kalter und feuchter Natur / ist er aber alt / so ist er warmer und
truckner Natur / ligt einem lang im Magen / und ist übel zu
verdauen und hindert den Stulgang / gebieret dicke grobe Feuchtigkeiten
und den Nervenstein / ist dem Magen / der Leber / den Nieren und Milz
beschwerlich. Dann es hilfft sie verstopffen und verderben / und bringt
dem gantzen Menschen grosse Beschwerung. Jedoch wann der Käse
neu ist / so ist er so gar schädlich nicht / dann ist er noch
ein wenig süß / und hat noch ein wenig
Wäßrigkeit von der Milch / drum kan er auch desto
leichter verdauet werden. Besihe hiervon weiter im Barth. Anglic. Lib.
19. c. 72.73. Columel. l. 7. c. 8. Const. l. 17. c. 19.
Die Holländer haben diese Kunst contra calculum, wann sie
Käse essen / so essen sie auch Butter oder essen Butter und
Käß miteinander auff einem bissen Brodts : und daher
kombts / daß die Holländer den Stein nicht haben".
Colerus veröffentlichte 1591 das "Calendarium oeconomicum
& perpetuum" (Immerwährender Landwirtschaftskalender),
das er in systematischer Darstellung zur "Œconomia Ruralis Et
Domestica" (1593; Haus- und Feldbuch) ausweitete und in den Folgejahren
ständig ergänzte. 1609 erschien eine Folio-Ausgabe;
Gesamtausgaben sind in den Jahren 1622, 1640, 1645, 1656, 1680 und 1711
erschienen. Daneben existieren zahlreiche Raubdrucke. Diese Angaben
belegen eine große Verbreitung der Texte des Colerus. Die
Abschrift repräsentiert damit den zeitgenössischen
Stand der Kenntnis zum Gegenstand. Im Vergleich dazu belegt der Text
des Martin Schoock das umfassende Quellenstudium dieses Autors und
zugleich seine genauen Beobachtungen der Butterherstellung und aller
damit in Verbindung stehenden Tätigkeiten. Schoock hat
zahlreiche neue Erkenntnisse in das einleitend charakterisierte
"System" eingebaut. In der "Aversion gegen den Käse" werden
die Aussagen der Humoralpathologie so relativiert, wie es vorher und
lange nachher nicht erfolgte. Aber der Autor ist kein
Märtyrer. Er beherrscht die "Grammatik der Sprache der
Wissenschaft" perfekt und wendet diese seine Kenntnisse virtuos an. Das
wird dem Interessierten einige Mühe beim Lesen abverlangen.
Diese Mühe aber wird reich belohnt. Die gründliche
Auswertung und Diskussion aller dem Gegenstand zuzuordnenden Quellen
geht weit über die "Handlungsanleitungen" des Colerus hinaus.
Für die Nutzung von Schoocks Beobachtungen (z. B. zum
Fettgehalt der Milch in Abhängigkeit von der Rinderrasse und
der Jahreszeit) sind die Voraussetzungen erst im 19. und 20.
Jahrhundert gegeben. Erkenntnisse, die ihrer Zeit zu weit voraus sind,
geraten leicht unverdient in Vergessenheit. Mit der
Veröffentlichung der Arbeit des Martin Schoock wird unsere
Kenntnis über die Geschichte der Milchwirtschaft um viele neue
Aspekte erweitert.
Dieter Hansen
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Rezension zum Buch
von Prof. Dr. Dr. Eckhard Schlimme, Einbeck
(Milchwissenschaft 64. Jg., 2009, Heft 2, S. 195)
Martin Schoock: Traktat von der Butter, von der Abneigung gegen den Käse.
Deutsche Übersetzung (Siegfried Kratzsch) der lateinischen Ausgabe von 1664; Druck Johann Cöllen, Groningen. Deutsche Ausgabe, Hrsg. Carl-Ludwig Riedel, Dieter Hansen, Verlag Milch und Kultur, Köln, 1. Auflage 2008, 215 pp., ISBN 978-3-9810663-3-3.
Diese erste Monographie über die Milchprodukte Butter und Käse ist fast 350 Jahre alt, liegt erstmalig in deutscher Übersetzung mit zahlreichen Kommentierungen im Text und in Fußnoten vor und ist damit einem großen Leserkreis als Quelle zur Geschichte der Milchwirtschaft sowie der Technik- und Wissenschaftsgeschichte zugänglich. Dafür gebührt den Herausgebern, dem Übersetzer und dem Verlag Lob und Dank.
Martin Schoock (1614-1669) niederländischer Polyhistor, Professor für Klassische Literatur, Logik, Physik und Geschichte in Deventer, Groningen und Frankfurt/Oder, hoch gebildet, umfassend belesen und weitläufig interessiert, verfasste etwa 50 Schriften zu philosophischen, philologischen, natur- und sachkundlichen Themen sowie alltäglichen Fragestellungen. In seinem <Gruß an den Leser> rechtfertigt der Autor seine Abhandlung - und weiß sich da mit Seneca einig - über „… die täglichen Dinge selbst, die wir … für unwürdig halten, … vereinigen in sich viel Bewundernswertes.“
Die vorliegende Monographie, als <Exercitatio Academica> über Butter (27 Kapitel) und Käse (10 Kapitel), ist insofern ein Unikat, da beide Milchprodukte nicht nur als Nahrungs- und Heilmittel bewertet und im Kontext der auf Hippokrates und Galen zurückgehenden Humoral- und Temperamentenlehre diskutiert werden, sondern sich auch ihre Bedeutung als Kulturgüter literatur- und wissensgeschichtlich von der Antike bis in die Lebenszeit des Verfassers in beiden Traktaten dokumentiert. Dabei kommt aber auch die Sachkunde und das auf genauer Beobachtung beruhende Erfahrungswissen des Autors, insbesondere der niederländischen Butter- und Käseherstellung, in den Kapiteln nicht zu kurz; so u.a. die Abhängigkeit der Butterqualität von Jahreszeit und Rinderrasse, Qualitätsverbesserung durch Mischen von Sommer- und Winterbutter, Techniken zur Färbung der Butter; Bedeutung des Futters und des Alters sowie der Regionalität für die Käsequalität, Gerinnen der Milch durch Verwendung von Kälberlab, Blüten der weißen Distel oder Saft des Feigenbaumes; teils seit der Antike geübte Praktiken und eigene präzise Beobachtungen, die zu Fragestellungen führten, auf die erst im 20. Jahrhundert naturwissenschaftlich begründete Antworten gegeben werden konnten. So können diese Traktate auch heute durchaus Ideenquelle sein.
In seiner Diatribe über die Abneigung gegen den Käse gelingt es Schoock trotz eigener „gewissermaßen angeborener Abneigung“ objektiv dem bei manchen Menschen „durch einen geheimen Instinkt der Natur“ verursachten Widerwillen gegen Käse und andere Speisen unter Einbeziehung schriftlicher Quellen und aus eigener Kenntnis vieler Fallbeispiele denkend nachzuspüren. In einigen Abschnitten schweift der Autor ab und <fabuliert>, doch er findet zum <roten Faden> zurück und kommt letztlich zu dem Schluss, dass die Idiosynkrasie gegen Käse und andere Speisen keine allgemeine Ursache hat, sondern in einer individuellen Disposition zu suchen ist.
Schoock ist mit der vorliegenden Monographie dank seiner umfassenden Belesenheit und seines direkten Interesses an der handwerklichen Erfahrung der Buttermeier und Käser ein auch aus heutiger Sicht beeindruckendes Werk gelungen; weil, wie der Verfasser schreibt: „ … Gott, … gnädig die Gelegenheit und die Kräfte zugestanden hat, dieses unter tausend Inanspruchnahmen … niederzuschreiben.“
Ein umfangreicher Vorspann zur deutschen Ausgabe, einige Kapitel aus einer zeitgenössischen (1680) Darstellung über Herstellung und Eigenschaften von Butter und Käse, Abbildung des <Originaltitel mit Buchdruckermarke von J. Cöllen> als Außentitel, einem Kupferstich-Porträt von Martin Schoock als Rückentitel und 29 Wiedergaben von historischen Bildern zum Thema Milchwirtschaft, ein umfangreicher und kommentierter Anhang über Martin Schoock (Lebenslauf, Werke, Quellen) sowie ein ausführliches Autoren-, Abbildungs- und Sachwortverzeichnis informiert und stärkt den Wert der beiden Traktate für den heutigen Leser.
Prof. Dr. Dr. Eckhard Schlimme, Einbeck (vormals Kiel) Januar 2009
Translation in English by Axel Mixa and Alan Hodgkinson
Martin Schoock: Treatise on butter and on the aversion to cheese.
German translation (Siegfried Kratzsch) of the Latin publication of 1664;
printed by Johann Cöllen, Groningen.
German edition, Editor Carl-Ludwig Riedel, Dieter Hansen, Publisher Milch und Kultur, Köln, 1. edition
2008, 215 S.,
ISBN 978-3-9810663-3-3.
This first monograph on dairy products such as butter and cheese is almost 350 years old, and is now available for the first time in German with
numerous comments (contained in the text or as footnotes); it can be accessed by a wide range of readers as a source to the history of both the
dairy industry and dairy technology and science. Credit and thanks are due to the editors, translator and the publishers for making this possible.
Martin Schoock (1614-1669), a Dutch polymath, professor of classical literature, physics and history in Deventer, Groningen and Frankfurt on the Oder,
was a highly educated and extremely erudite man, who took a great interest in a wide scope of subjects. He published about 50 treatises on subjects
concerning philosophy, philology, natural history and general knowledge as well as questions of everyday interest. In his <Gruß an den
Leser>, the author justifies his treatises – and in this he is in complete agreement with Seneca – on “ . . . matters which are
considered unworthy of our interest ... since they contain many points deserving our admiration.”
This monograph, an <Exercitatio Academica> on butter (27 chapters) and cheese (10 chapters) is unique by virtue of the fact that these
two dairy products are not only assessed with regard to their nutritional or medicinal values and discussed with reference to the theories on humours and
temperaments as postulated by Hippocrates and Galen, but are also presented with regard to their cultural importance from a literary and scientific
point of view from antiquity up to the lifetime of the author. At the same time, the reader cannot fail to perceive in the course of these chapters
the author’s technical expertise and knowledge of the products resulting from the accurate observations he made. In particular, attention is
paid to the manufacture of Dutch butter and cheese, including the dependence of the quality of butter on seasonanility and bovine breeds, quality
improvement by means of blending summer and winter butter, techniques employed in colouring butter; the influence of animal feed as well as of age
and regionality on the quality of cheese, the curdling of milk by the use of calf’s rennet, the blossoms of the white thistle or juice from
a fig tree; methods used in part since antiquity together with his own very precise observations leading to questions which could not be
answered scientifically until the 20th century. Even today, these treatises may well be the sources of new ideas.
In his diatribe on the aversion to cheese, Schoock succeeds in objectively tracing – despite his own „so to speak inherent revulsion“ -
this dislike of cheese and other forms of food in some people, which are caused by a “secret natural instinct”, by including documented
sources and his personal knowledge of many case studies. In some sections the author digresses and <invents facts>, yet he always manages
to pick up the thread again, and finally arrives at the conclusion that a dislike of cheese and other forms of food does not have a common cause,
but is based on individual disposition.
Thanks to his extensive reading and his great interest in the skills and experience of the butter and cheesemakers Schoock succeeded in producing a work
that is – even by the standards of today - impressive; his success was possible because – as the author himself writes: “…
the Lord … in His Grace granted me – from among a thousand other claimants – the ability and the strength to complete this
work.”
An extensive introduction to the German edition, several chapters from a contemporary (1680) account of the manufacture and properties
of butter and cheese, an illustration of the <original title with printer’s marks by J. Cöllen> serving as the front cover,
a copperplate drawing of Martin Schook for the rear cover and 29 reproductions of historical pictures on the subject of the dairy industry,
an extensive and annotated addendum on Martin Schoock (curriculum vitae, publications, sources) as well as a comprehensive index of authors,
illustrations and key terms provides essential information and enhances the value of the two treatises for today’s reader.
Prof. Dr. Dr. Eckhard Schlimme, Einbeck (earlier Kiel)
Januar 2009
Rezension in English by Prof. Dr. Manfred Kroger (Mai 2009)
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